Weingärtenschule vor dem Abriss
Appell gegen den drohenden Abriss der ehemaligen Weingärtenschule,
Böllberger Weg 188
In seiner Sitzung am 30. Oktober 2013 wird der Stadtrat über den Gestaltungsbeschluss zum Umbau des Böllberger Weges im Rahmen des Stadtbahnprogramms entscheiden. Damit sollen für einen weiteren Streckenabschnitt
im Verlauf der Straßenbahnlinie 1 die Voraussetzungen für umfangreiche Straßenbaumaßnahmen geschaffen werden. Diese Baumaßnahmen können zweifellos zur Lösung zahlreicher Verkehrsprobleme beitragen und werden den Straßenzustand an vielen
Stellen erheblich verbessern.
Die von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Ausbauvariante im zweiten Abschnitt des Böllberger Weges sieht jedoch auch den Abriss eines Baudenkmals vor. Zur Verbreiterung der Trasse soll die ehemalige
Weingärtenschule, das heutige Künstlerhaus 188, beseitigt werden ein eindrucksvoller Bau mit abwechslungsreicher Klinkerfassade, ein markantes Beispiel für die Qualität des Schulbaus im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Die Abrissbestrebungen
haben einen überwiegend finanziellen Hintergrund. Die erhofften Fördermittel aus dem GVFG-Programm (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) des Bundes können nur in Anspruch genommen werden, wenn die Straße zwei von den Fahrbahnen getrennte
Bahngleise erhält. Dies ist bei der jetzigen Breite der Straße tatsächlich nicht umsetzbar. Es handelt sich jedoch nur um eine Strecke von ca. 100 m, und nur für dieses Stück müsste eine alternative Finanzierung gefunden werden, der weit
überwiegende Rest der Planungen bliebe unberührt. Die Mehrkosten, die als städtischer Eigenanteil zu tragen sind, werden auf ca. 500.000 EUR beziffert, eine in Relation zum Gesamtvorhaben vertretbare Summe.
Der Denkmalschutz ist
ein ebenso wichtiges Ziel der Stadtplanung wie die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs. Um das Eine nicht auf Kosten des Anderen durchzusetzen, ist die Suche nach einem Kompromiss geboten, zumal es für eine verkehrstechnisch tragfähige
Lösung an dieser Engstelle verschiedene Vorschläge gibt. Planungen, die die Stadt dem Verkehr anpassen, bedeuten einen Rückschritt in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts und schienen längst überwunden.
Über ein pflichtgemäßes Bedauern
hinaus ist seitens der Stadtverwaltung kein wirkliches Bewusstsein für den mit dem Abriss des Baudenkmals verbundenen Verlust spürbar geworden, weder in den Pressemitteilungen, noch in der Bürgerversammlung zum Thema am 21. 10. 2013 im
Stadthaus. Dabei gäbe dieser Abriss auch ein fatales Signal: Wenn die Stadt selbst die Beseitigung eines baulich völlig intakten und genutzten Denkmals betreibt, schwächt sie ihre Überzeugungskraft gegenüber privaten Bauherren und Investoren
mit ebensolchen Absichten erheblich. Die endgültige Entscheidung über einen Abriss obliegt allerdings der Oberen Denkmalschutzbehörde im Landesverwaltungsamt in Abstimmung mit dem Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege als Fachbehörde.
Da keine Rede davon sein kann, dass „alle Möglichkeiten zur Erhaltung des Denkmals ausgeschöpft“ sind, wie es das Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt fordert, ist höchst fraglich, ob die Genehmigung zum Abriss tatsächlich erteilt
wird. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an einem Abriss des Denkmals zugunsten einer Verkehrslösung ist schwer festzustellen. Eine Unterschriftensammlung für die Erhaltung der ehemaligen Weingärtenschule zählt bislang mehr als 1800
Unterstützer (handschriftlich und in einer Online-Petition). Darunter finden sich zahlreiche Vertreter des kulturellen Lebens in Halle, aber auch Bürger, die persönliche Erinnerungen mit dem Schulgebäude oder dem Künstlerhaus verbinden
und denen dieses Denkmal als Identifikationsort wichtig ist. Ein Teil der Unterschriften wurde dem Oberbürgermeister bereits auf der letzten Sitzung des Stadtrates am 25. 9. 2013 übergeben.
Wir appellieren an die Stadträte, die
Stadtverwaltung, die HAVAG als Vorhabenträger und die Öffentlichkeit, einen Abriss des Schulgebäudes am Böllberger Weg 188 nicht zuzulassen!
Halle, den 25. Oktober 2013
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