"Denkmale der MODERNE "
Eröffnungsfeier zum Tag des offenen Denkmals im Wasserturm (WT) Süd (Halle)
Text des Vortrages von Uwe Glaeser.
Seien Sie herzlich begrüßt in den Räumen des Wasserturms Süd der Halleschen Wasser und Stadtwirtschaft GmbH (HWS), einer Tochter der Stadtwerke Halle.
Wasserturm Süd
Vereinslogo
Wasserturm Nord
Diese Räume werden genutzt und betreut durch den Verein der Wassertürme der Stadt Halle e.V.
Der Wasserturmverein ist aktiv in den Wassertürmen Süd und Nord in Halle.
Der WT Süd ist noch voll in Betrieb und seit 1928 in die Trinkwasserversorgung der Stadt eingebunden.
Der WT Nord dagegen ist seit 1966 außer Betrieb und sollte ursprünglich beim Aufbau einer Brauchwasserversorgung für
die Industriebetriebe wiederhergestellt werden. Doch mit der Wende 1990 hat sich die Brauchwasserumstellung
erledigt. Die Stadt Halle hatte 1990 310 T Einwohner, heute nur noch 240 T Einwohner.
Wasserturm Schemata
Aus der Sicht der Wasserwirtschaft befinden Sie sich bildlich gesehen in der Spitze des Eisberges, als des Teils
über der Erde der Wasserversorgungsanlagen. Der größte Teil der Anlagen befindet sich als Rohrleitungen unter
der Erde. Von der zentralen Wasserversorgung werden ansonsten nur die Bauwerke über der Erde wahrgenommen. Das sind
Wasserwerke, Pumpstationen, oberirdische Behälter und Wassertürme.
Die Römer hatten seiner Zeit ihr Wasserproblem durch Viadukte, mit Gefälle gebauten und abgedeckten Wasserrinnen gelöst.
Mit dem Schöpfrad oder archimedische Spirale konnte das
Viadukt Pont du Gard Niemes/Avignon
Wasser nur über eine begrenzte Höhe gehoben werden.
Mit der Herstellung von Druckrohrleitungen war es möglich das Wasser besser zu transportieren. Hier hat man das Prinzip
der kommunizierenden Gefäße genutzt. In Halle (Saale) wurde Wasser aus der Saale (Mühlgraben) seit 1474 entnommen
und über einen Wasserturm an der Mühlpforte mit
Wasserturmbild Öl Wasserkunst
Wasserturm Süd Wasserkunst
Holzwasserleitungen bis zum Marktbrunnen befördert. Dafür wurde das ankommende Saalewasser mit einem Pumpwerk in den Wasserturm gehoben. Für die Bevölkerung wurden unterwegs eigene Tröge aufgestellt und teilweise sind Grundstücke mit angeschlossen worden. Der erste Wasserturm ist 1523 ersetzt worden. Der Marktbrunnen erhielt 1832 zwei Löwen zur Zierde. Sie wurden mit Rückbau des Marktbrunnens 1868 zur Universität, dem heutigen Löwengebäude, umgesetzt.
Löwengebäude der Universität in Halle (Saale)
Der Grund dafür war, dass Halle nach 394 Jahren, im Jahr 1868 eine neue zentrale Wasserversorgung mit Hoch- und
Niederbehälter, in Betrieb nahm.
Ein neuer Marktbrunnen mit einer ständig laufenden Fontäne wurde mit erbaut. Diese sollte den Fortschritt der Stadt
allen Reisenden und Besuchern demonstrieren. Vorausgegangen der Errichtung einer zentralen Wasserversorgung
waren allerdings die Typhus- und Choleraepidemien 1831, 1849, 1855 und 1866 mit zuletzt täglich zwischen 70-80 Toten,
die Halle heimsuchten. Der letzten Epidemie vorausgegangen war die Entscheidung des Stadtrates, lieber eine Gasanstalt für
die Ansiedlung der Industrie zu bauen, statt einer zentralen Wasserversorgung, denn das Trinkwasser wurde zu dieser Zeit
immer noch der Saale ungefiltert entnommen.
Das neue Trinkwasser wurde weit vor den Toren von Halle in den Uferniederungen der Saale und der Weißen Elster in
Beesen aus Brunnen gefördert und über eine 10 km Gussleitung mit Nenndurchmesser von DN450 mm nach Halle gepumpt.
Halle hatte als erste Stadt in Deutschland mit der zentralen Wasserversorgung über Druckrohrleitungen nicht
nur zentrale Brunnen in der Stadt versorgt,sondern auch über 2000 Grundstücke angebunden. Hier gab es "Wasser
aus der Wand".
Da die damaligen Wasserpumpen auch bei unterschiedlichster Wasserentnahme, ihre ständige gleichmäßige Förderung beibehalten
mussten, wurden Zwischenspeicher gebaut und die allein durch ihren hydrostatischen Druck die Versorgung aller
Anschlussnehmer garantieren mussten. Somit wurden auf halber Strecke zur Stadt, mitten in der Feldflur, ein Niederbehälter (NB)
und ein Hochbehälter (HB) an diesem Standort errichtet (Lutherplatz).
Wasserturm Süd Lageplan
Infolge starken Zuzugs nach Halle ist der Wasserverbrauch stark gestiegen und zwang die Stadt 1891 an den Unikliniken
in der Merseburger Staße einen zweiten Hochbehälter zu bauen.
Niederbehälter
Bereits 1898/99 erfolgte die Errichtung des Wasserturms Nord/Paracelsusstraße mit einem Trinkwasserbehälter
mit 1200 m³ Speicher. Mit der Inbetriebnahme des Wasserturms Nord, der Wasserspiegel war 13 m höher gegenüber dem damals
bestehenden Wasserspiegel, mussten 1899 die Hochbehälter Süd und Merseburger Straße außer Betrieb genommen werden.
Mit der Inbetriebnahme des Wasserturms Nord wurde die Wohnbebauung (nördliche Ausdehnung) im Paulusviertel
und der Reilstraße möglich.
Halle entwickelte sich weiter zum industriellen Zentrum Mitteldeutschlands. Hier gab es Wasser, Kohle, einen Eisenbahnknoten,
eine Wasserstraße, Straßenanbindungen, Elektrizität, Gas und eine Universität. Daher musste ein weiterer ergänzender
größerer Wasserspeicher als Hochbehälter gebaut werden. Es wurde am Standort Wasserturm Süd 1927/28 der neue Wasserturm
gebaut. Der Abriss des Wasserturms 1868 schuf Platz für Neues. 1928 erfolgte die Einweihung des neuen Wasserturms Süd mit einem
Behältervolumen von 2000 m³ (Lutherplatz)
Dieser erbaute Wasserturm ist ein Kind der neuen Moderne. Errichtet nach dem Entwurf von Oskar Mey und künstlerischen
Gestaltung durch den Stadtbaurat Jost mit einem Springbrunnen, einem Kuppelraum mit der dazu gehörenden Beleuchtung.
Von Jost wurde hier ein Gebäudeensemble der neuen Moderne am Standort des Wasserturms entworfen.
Turmtraße
Magdeburger Straße
Wasserturm Süd Springbrunnen
Wasserturm Süd Innenraumbeleuchtung
Insgesamt besteht der Komplex aus einem zehneckigen Hochbehälter, einem Erdbehälter, einem Umformer- und Schaltgebäude für
elektrischen Strom und Wohnhäusern.
Die Wasserhöhe des Hochbehälters Süd kommunizierte mit dem Wasserbehälter im Wasserturm Nord. Dabei hat der
Hochbehälter Süd eine Höhe von 45 m und der Wasserturm Nord von 54 m. Der Wasserturm Süd ist das höchste
Gebäude der neuen Moderne in Halle.
Dieses Jahr feiern wir "100 Jahre neue Moderne." Der Wasserturm Süd wurde aus diesem Grund in die Veranstaltung einbezogen.
Vor einer Woche wurde eine Festveranstaltung am Wasserturm Süd durchgeführt. Es erfolgte die Installation der
zwei Figuren über dem Eingang. Diese sind als Sieger eines Schülerwettbewerbes zur neuen Moderne in Sachsen-Anhalt
hervorgegangen. Gewonnen hat die 6. Klasse des PGG Gräfenhainichen. Die Figuren sind eine Hommage an die
fantastischen Wesen aus dem triadischen Ballett von Bauhausmeister Oskar Schlemmer, aufgeführt 1922 in Stuttgart und
stellt den Panzergolem Rafael und die Schmetterlingstänzerin dar. Die Kostüme wurden aus geometrischen
steifen Formen gefertigt.
Hommage an die fantastischen Wesen
Wasserturm Süd Tanzperformance
Wasserturm Süd Tanzperformance auf dem Springbrunnen
Des weiteren gab es noch eine Internationale Tanzperformance „Struktur und Ausbruch“ auf 3 Ebenen im Wasserturm.
Unter der Leitung der Palucca Absolventin Silke Neumann performten Tänzer aus Australien, den USA, Japan und England,
Tanzauftritte im Wasserturm Süd.
Der Wasserturm Süd ist noch in das zentrale Wasserversorgungsnetz der Stadt Halle eingebunden, obwohl das
Wasserwerk Beesen seit Jahren außer Betrieb genommen wurde. Wir beziehen das Trinkwasser aus dem
Harz / Rappbodetalsperre und der Elbe / Torgau über Fernleitungen von über 80 km. Das Trinkwasser wird im
Hochbehälter Hammelberg, Höhe bei Oppin, zwischengespeichert und läuft von dort nach Halle, Halle
Neustadt und dem Saalekreis. Der Trinkwasserbehälter Hammelberg mit 8 x 5100 m³, haben den gleichen Wasserpegel
wie der Wasserturm Süd.
Wasserturm Süd Trinkwasserring
Wir können uns glücklich schätzen, diese zwei Wassertürme zu haben. Durch die Ferneinspeisung und dem Wasserturm
Süd haben wir zur Zeit immer ausreichend Trinkwasser zur Verfügung. Solange die Talsperre Rappbode gefüllt ist,
haben wir auch Trinkwasser.
Der außer Betrieb genommene Wasserturm Nord hingegen, auch wenn der für die Wasserspeicherung nicht mehr benötigt
wird, ist ein Hingucker, der gerne bewundert wird.
Durch die fortlaufenden Anforderungen zur Wasserbereitstellung haben wir in Halle in den letzten 150 Jahren
fünf Wassertürme und auch zwei Erdbehälter in Halle gehabt. Davon ist ein Wasserturm noch in Betrieb.
Ein Wasserturm,einen Hochbehälter und ein Niederbehälter sind außer Betrieb. Drei Wassertürme wurden abgerissen.
Jeder Behälter wurde entsprechend seines Zeitgeistes errichtet.
Der Wasserturm Nord ist im Jugendstil, Wasserturm Süd dagegen in der neuen Moderne errichtet worden.
Heute kann hier der Niederbehälter von 1868, sowie der Wasserturm Süd besucht werden. Der Wasserturm Nord ist heute
auch zum TdoD bis 18:00 geöffnet. Seit nunmehr 13 Jahren beteiligen wir uns am Tag des offenen Denkmals.
Nachträglich hinzugefügt von Herrn Glaeser:
Unser Verein hat zur Zeit 60 Mitglieder.
Wir als Wasserturmverein haben uns 2006 gegründet, weil der Wasserturm Nord außer Betrieb und ohne Funktion war und
der Wasserturm Süd mit seiner Aussichtsplattform und dem Kuppelraum zu seiner Nutzung und Öffnung einer Betreuung
bedurfte.
Aufgaben des Vereins der Wassertürme der Stadt Halle, im Einklang mit der HWS, ist eine Pflege und
kulturelle Nutzung mit Vorträgen, Besucherführungen, Kulturausstellungen, technische Erläuterungen und Öffnung
zu besonderen Anlässen.
Zur Zeit ist der Aufstieg für Besucher im WT Süd nicht möglich. Aber die HWS arbeitet an einer Lösung.
An dieser Stelle möchte ich mich als 1. Vorsitzender des Wasserturmvereins ganz herzlich beim Geschäftsführer
der HWS, Herrn Schulze für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung für den WT-Verein bedanken.
Sinnvoll steht über dem Eingang am Wasserturm Süd:
Alles ist dem Wasser entsprungen, alles wird durch das Wasser erhalten. – J.W. v. Goethe
Text:Uwe Glaeser
Fotos:Uwe Glaeser
Datum:08.09.2019
Vereinsvorsitzender von Wassertürme der Stadt Halle e. V.
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